Rede von Simone Lang zum Bericht der Staatsregierung

Veröffentlicht am 16.12.2020 in Reden

„Der Bund und der Freistaat haben in den vergangenen Tagen schmerzliche Einschnitte beschlossen. Der bundesweite Lockdown stellt alle Menschen vor große Herausforderungen. Er war jedoch unausweichlich. Denn die ergriffenen Maßnahmen haben nicht zum Erfolg geführt: Die Zahlen der Corona-Infizierten steigen kontinuierlich an, die Betten in den Krankenhäusern füllen sich. Immer mehr Corona-Tote sind zu beklagen.


Jetzt hilft nur noch die Notbremse. Angesichts der dramatischen Lage - vor allem im Gesundheitswesen - war die Entscheidung jetzt zwingend notwendig. In großer Sorge bitte ich alle, die Lage ernst zu nehmen. Mehr denn je trägt Jede und Jeder von uns Verantwortung, für sich selbst und für alle Mitmenschen. Auch an Weihnachten und Silvester.

 

Gestatten Sie an dieser Stelle noch eine Anmerkung zur Debatte um einen weiteren Bonus für die Pflegerinnen und Pfleger. Ich habe mich dazu wiederholt und gestern noch einmal öffentlich geäußert. Die Pflegenden schultern bereits zum zweiten Mal in diesem Jahr eine Last für die gesamte Gesellschaft, die über das bisher vorstellbare Maß hinausgeht.  Sachsen sollte daher dafür sorgen, dass die hoch belasteten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter – egal in welchen Bereichen sie arbeiten – schnell und unbürokratisch eine weitere Bonuszahlung vom Freistaat erhalten. Darin sind wir uns mit dem Sozialministerium einig. Und wir werden in der Koalition darüber beraten, dessen können Sie sich sicher sein. 


Es sind und waren keine leichten Entscheidungen: Die Einschränkungen von Freiheitsrechten nimmt niemand auf die leichte Schulter. Es ist ein Abwägen. Die Gesundheit der Menschen steht bei diesen Entscheidungen immer im Mittelpunkt. Jede Entscheidung sollte beständig hinterfragt werden: Jedes Nachjustieren, muss im Sinne der Verhältnismäßigkeit geschehen. 

So mancher Blick in die Zeitung macht mich daher in diesen Tagen sprachlos: 
Da unterstellt die außerparlamentarische Opposition der sächsischen Regierung und uns Abgeordneten tatsächlich, dass wir sehr große Sympathien für autoritäre Maßnahmen hätten. Der Beleg: Der Lockdown. Vielen Dank für die Hinweise von der Seitenlinie. 

Ich kann Ihnen versichern, dass uns jede Einschränkung von Freiheitsrechten beschäftigt, bewegt und zu so manchen schlaflosen Nächten führt. Mit uns, meine ich die Demokratinnen und Demokraten hier im Haus und auf der Regierungsbank.

Es ist die immer gleiche Frage: Wie viele und welche Rechte und Freiheiten müssen & dürfen wir einschränken, um das Leben und die Gesundheit der Menschen zu schützen. Schaue ich in mein Mailpostfach sehe ich, dass genau diese Frage auch die Bürgerinnen und Bürger umtreibt. 3 Beispiele hierfür:

Das Erzgebirge lebt von seiner Weihnachtskunst. 
Es hat in dieser Hinsicht einen Sonderstatus in Deutschland. Bei uns sind fast alle Hersteller von Holzkunst- und Weihnachtsartikeln angesiedelt. Ein Wegbruch dieser Branche hätte zur Folge, dass in den kommenden Jahren nur noch Importware angeboten werden kann. Bei dem Gedanken blutet mir natürlich das Herz. Und den Menschen im Gebirge natürlich auch. 

Mich erreichten daher zahlreiche Hilferufe von regionalen Betrieben, die sich durch die Absage der Weihnachtsmärkte und die Schließung ihrer Ladenlokale, in ihrer Existenz bedroht fühlen. In ihren Nachrichten schwingt ein Hilferuf mit, welchen wir sehr ernst nehmen. 

Hier wird geholfen, hier muss noch mehr geholfen werden. 
 

Was ich aber jeder Mail und jedem Telefonat zugleich entnehmen kann: Verständnis. Verständnis für die Maßnahmen. Sie fordern zurecht die Freiheit, ihrem Kunsthandwerk weiterhin nachgehen zu können. Sie verstehen aber auch, dass dieses Recht derzeit beschnitten werden muss. Vielen Dank dafür!

Mich erreichen auch die Hilferufe von den Friseuren aus meinem Wahlkreis. Die einen, forderten in den vergangenen Wochen mit Nachdruck die Schließung ihrer Läden. Die anderen, die neue bundesweite Anordnung zur Schließung, nicht umzusetzen. Beide Seiten treibt die berechtigte Frage um: Wie viele Freiheiten und Rechte können, müssen und sollten eingeschränkt werden, um die Gesundheit und das Leben der Menschen in unserem Freistaat zu schützen. Auch hier keine leichte Entscheidung. Vielen Dank für die konstruktiven Gespräche! Vielen Dank für ihr Verständnis!

Besonders einprägsam war für mich ein Gespräch in der vergangenen Woche mit dem Leiter einer Behindertenwerkstatt. Zunächst war seine Forderung klar: Die Werkstätten müssen geöffnet bleiben. Die Menschen mit Beeinträchtigung Leben für diese Arbeit. Sie brauchen diese Arbeit. Wir sollen ihnen diese Freiheit nicht nehmen.

 

Erfahrungen aus dem Lockdown im Frühjahr würden belegen, wie schwer sich die Integrierung danach gestaltet. Da die Menschen mit Beeinträchtigung sich erst wieder an die wiedergewonnene Regelmäßigkeit gewöhnen müssen. 
 

Wir – er meinte damit die Politik im Allgemeinen – sollen dies bei unserer Entscheidung berücksichtigen. Auch die andere Seite, die Gesundheit der Menschen treibe ihn natürlich um. Bei seiner Forderung – so gestand er nach einer Weile ein – kommt diese Perspektive vielleicht zu kurz. 
Er hielt fest: Einfach ist das nicht, dass weiß er. 

Auch hier ist es ein Abwägen zwischen dem Schutz der Menschen – wir reden hier von einer Gruppe, die wir besonders schützen müssen – und ihrem Recht auf Arbeit. Ihrem Recht auf Inklusion. Vielen Dank für ihren abwägenden Blick. Vielen Dank für ihren Einsatz für die Menschen mit Beeinträchtigung. 


Es sind keine leichten Entscheidungen. Niemand von uns, niemand in den Ministerien, niemand auf der Regierungsbank, macht sich das leicht. Es handelt sich um einen Drahtseilakt. Welchen auch die Menschen, die mich kontaktieren, zu Recht umtreibt.

Und es nervt mich daher mittlerweile wirklich, dass einige uns das absprechen. Insbesondere auch Menschen in diesem Raum. Auf ebenjene Mails und Telefonate möchte ich an dieser Stelle daher nur kurz eingehen. Die, in denen wir Politikerinnen und Politiker, beleidigt und angefeindet werden. Von sogenannten Querdenkern, Maskenverweigern und Coronaleugnern.

Da wird dazu aufgerufen, die Maske nicht zu tragen und sich an die Regeln nicht zu halten. Die Pandemie wird verharmlost oder gar geleugnet. Da wird behauptet, wir leben in einer Diktatur. Corona-Tote werden bezweifelt. Das alles wird fleißig befeuert von Ihnen: Der AfD. Sie sollten sich schämen!

Ich sehe auch das. Ich lese auch das. Ich höre auch hier am Telefon zu. Selbst hier versuche ich zu antworten – wenn überhaupt eine Frage gestellt wird – auch wenn mich dies Ignoranz so langsam sprachlos macht. Das führt mir alles schmerzlich vor Augen, warum es diesen harten Lockdown jetzt braucht. Der Appell an die Vernunft und Eigenverantwortung hat nicht gereicht. 


Ich weiß, dass sich die große Mehrheit der Sächsinnen und Sachsen an die Regeln hält und die Maßnahmen unterstützt. Doch es gibt leider viel zu viele, die sich selbst so einfachen solidarischen Maßnahmen, wie dem Tragen eines Mund-Nase-Schutzes, verweigern. Die Konsequenzen dieses unsolidarischen Verhaltens müssen wir jetzt alle tragen.


Vielen Dank daher an Diejenigen, die mit uns gemeinsam Abwägen. Die sich konstruktiv in die Debatte einbringen. Die solidarisch sind. Und stellvertretend für vielen andere demokratisch gesinnten Mitglieder dieses Parlaments und der Regierung: Ein riesen Dank an Staatsministerin Petra Köpping. Ich danke Ihnen und Ihrem Team im Sozialministerium für Ihre Arbeit für uns. Und ich danke auch allen anderen Häusern für ihre Arbeit in den vergangenen Monaten. 

Dafür erhalten Sie leider nicht immer die Anerkennung, die Sie verdient hätten. Aber ich kann Ihnen sagen, in vielen der E-Mails und Telefonate, die mich in den letzten Wochen erreichten, findet sich genau die Wertschätzung wieder.“