Gesellschaftlichen Zusammenhang gestalten, ein soziales Sachsen bewahren

Veröffentlicht am 15.07.2020 in Reden

Rede von Simone Lang, Sprecherin für Soziales und Familie der SPD-Fraktion im Sächsischen Landtag, am Mittwoch im Landtag zur Fachregierungserklärung „Gesellschaftlichen Zusammenhang gestalten, ein soziales Sachsen bewahren“:

 

Gesellschaftlicher Zusammenhalt, Gemeinsinn, Solidarität sind alles große Wörter, die ihren Ursprung im Kleinen haben. In kleinen Gesten, in einfachen Handlungen, die die Herzen vieler Menschen berühren können. Während Staatsministerin Petra Köpping die gesellschaftsübergreifende Bedeutung dargestellt hat, möchte ich einen Blick auf meine Heimatregion werfen. Das Erzgebirge ist voller Menschen, die den Zusammenhalt leben. Sie sind füreinander da, unterstützen sich gegenseitig und kümmern sich um andere.


Zusammenhalt auf dem Land kann dabei helfen, strukturelle Schwächen der ländlichen Region ein wenig abzumildern, in dem man für die Nachbarn die Einkäufe erledigt oder sich mit anderen Eltern in den Transport der Kinder zum Sportverein oder ins Kino reinteilt. Mit dieser praktischen Hilfe geht jedoch auch das Gefühl einher, aufeinander bauen zu können. Es bildet sich ein soziales Netz, das über den Familien- und Freundeskreis hinausgeht. Ein Netz wie bei den Frauen und inzwischen auch einigen Männern aus der „Selbsthilfegruppe Krebs – Ich bin nicht allein“ aus dem Raum Aue-Schwarzenberg. Mehr als 30 Mitglieder bieten hier Hilfe für Betroffene und deren Angehörige in dieser ungemein schweren und belastenden Zeit. Ein Netz wie im Seniorenclub aus Breitenbrunn, in dem ältere Menschen zusammen finden, Spielenachmittage organisieren, gemeinsam ihr Gedächtnis trainieren, Spazieren und Wandern gehen. Ein Netz wie in der Selbsthilfegruppe „Lichtblick“, in der sich Bewohner des Erzgebirgskreises mit unterschiedlichen psychischen Erkrankungen seit 1999 gegenseitig Halt geben. Bei wöchentlichen Treffen helfen sie sich aus der sozialen Isolation zu lösen und dem Leben wieder Sinn und Würde zu geben. Gemeinschaft und Empathie geben unserem Leben Sinn und da wo es fehlt, können Spaltung, aber auch Einsamkeit einziehen. Einsamkeit ist ein Mangelgefühl, und zwar ein Mangel an sozialen Kontakten und emotionalen Bindungen. Und dauerhafte Einsamkeit macht krank.


In Sachsen haben wir vielfältige Möglichkeiten zur gesellschaftlichen Teilhabe in verschiedenen Vereinen, Selbsthilfegruppen, kulturellen Angeboten, Altentreffs und Jugendzentren. Drei Beispiele aus meiner Region habe ich ihnen gerade kurz vorgestellt. All diese Angebote fördern das Zusammengehörigkeitsgefühl und den Zusammenhalt in unserer Gesellschaft. Die Corona-Pandemie zeigt uns momentan sehr deutlich, dass es sehr schmerzhaft sein kann, wenn die physische Verbundenheit zu anderen plötzlich verloren geht. Und sie verdeutlicht uns, dass es ein gravierender Einschnitt ist, wenn die Angebote all dieser Organisationen ganz oder teilweise wegbrechen.

Deshalb war es für uns auch eine Priorität, die Arbeit sozialer Organisationen über die Krise hinweg zu sichern, damit sie uns auch nach der Pandemie erhalten bleiben.

Hierfür haben wir einen Schutzschirm für soziale Organisationen in Höhe von 15 Millionen Euro gespannt. Mit dem Pakt für die Jugend ermöglichen wir eine Förderung der überörtlichen Kinder- und Jugendhilfe über 5 Jahre und schaffen so Kontinuität. Und mit dem Modellprojekt „Soziale Orte“ schaffen wir öffentliche Räume in Kommunen, in denen Menschen sich begegnen und sich bürgerliches Engagement entfalten kann. Hinzu kommen die zahlreichen Fördermöglichkeiten für das Ehrenamt und die Freiwilligendienste im Freistaat. Das sind nur einige aktuelle Beispiele, wie wir als Koalition den gesellschaftlichen Zusammenhalt in Sachsen nachhaltig stärken.

Darüber hinaus setze ich mich als Sozialdemokratin genauso wie Petra Köpping für eine Kindergrundsicherung im Bund ein. Denn mit der Kindergrundsicherung beginnt der soziale Zusammenhalt schon bei den Kleinsten. Wir als Gesellschaft tragen Sorge dafür, dass alle Kinder – unabhängig vom finanziellen oder sozialen Hintergrund der Eltern, bestmöglich unterstützt werden.

Petra Köpping hat es ja bereits erwähnt: Corona zeigt uns gerade wie durch ein Brennglas, was in unserem Land gut läuft und welche Entwicklungen wir in unserer Gesellschaft nur allzu leicht ausblenden. Eine Folge des Virus sollte also sein, dass wir viel mehr über Themen wie Einsamkeit, Zusammenhalt oder den Zustand unserer sozialen Infrastruktur sprechen. Die soziale Landschaft in Sachsen ist systemrelevant, denn sie füllt dieses kostbare System – unsere Demokratie – mit Solidarität und Leben. Nach zahlreichen Hilfs- und Konjunkturprogrammen werden nun Stimmen lauter, die eine Prioritätensetzung fordern. Man müsse sich entscheiden, was wir noch umsetzen können und was nicht. Das mag sein. Meine Fraktion erinnert jedoch nicht ohne Grund mahnend an die Zeit, in der die Prioritäten eben nicht auf Kindern und Jugendlichen, Familien, Selbsthilfegruppen, beim Ehrenamt oder beim Kampf gegen Sucht und Drogen lagen. Diese Zeiten dürfen sich nicht wiederholen.

Für eine starke Gesellschaft ist der soziale Kitt unabdingbar. Für eine starke Gesellschaft brauchen wir eine starke soziale Landschaft – in und besonders nach der Krise.